Gartenglück
'Was denkst Du all die Stunden, die Du draussen im Garten bist?' will mein Ehemann wissen. Als Wissenschaftler kann er sich nicht vorstellen, dass mein Gehirn ohne intellektuelle Aufgabe einfachso dahintickt. Ja, wie verfliegt denn die Zeit für mich?
Mein erster Gedanke gestern früh – mit was fang ich an? Ich will nur dort arbeiten, wo die Sonne scheint. Die Beeren sind zu düngen, die Rosen auch. Die Kamelien in den Töpfen brauchen Wasser, also hol ich einen Kübel voll vom Fischteich (im Kopf hör ich meinen Mann 'warum nimmst Dunicht den Schlauch, dafür ist er ja da?') Die Kamelien freuen sich über das weiche Regenwasser. Ein paar der prallen Knospen zeigen schon ein bisschen Weiss. Und die Sternmagnolie daneben, wieviel Blüten hat sie dieses Jahr? Im Herbst 2014 hab ich sie als vernachlässigtes Kind für Fr.5 gekauft; letztes Jahr hatte sie 6 Blüten. Und diesen Frühling 29! Einige der weissen Blütenblätter sind schon bräunlich angehaucht, soll ich sie abschneiden? Nein, ich gib ihnen noch etwas Zeit zumVerblühen; ich will auch nicht entfernt werden, obwohl ich nicht mehr frisch bin.
Dann fällt mir das riesen Loch ein, das irgendein Tier – Fuchs oder Dachs – gebuddelt hat, um an die Hornspäne zu kommen mit der ich die Bartblume gesetzt hatte. Die Erde ist verteilt zwischen den Pfingstrosen und Kaiserkronen, also hol ich neue hinten beim Kompost und decke damit die freiliegenden Wurzeln zu. Fast hör ich den erleichterten Seufzer der Bartblume. Die Crambe darunter werd ich im Herbst weiter nach oben versetzen, so versperrt sie der Bartblume die Sonne. Ein paar Fusstritte entfernt, seh ich wie die weissen Narzissen ihre gefüllten Köpfe schwer zur Erde neigen. Ein sanftes Rascheln der Blütenblätter begleitet meine Hand wie ich ihnen ein vergabeltes Ästchen als Stütze unter den Kopf schiebe.
Die Sonne im Rücken, steh ich unter der in voller Blühe stehenden alten Zierkirsche. Ich schau hinauf in die Krone und denke 'welche Verschwendung, welche Grosszügikeit! Abertausende von Blütchen für kaum eine Woche!' Die warme Luft duftet nach Honig, ein sanfter Wind und schon rieseln die ersten Blütenblätter durch die Luft wie zarte Schneeflocken. Diese Vergänglickeit! Wie kann ich all der Schönheit gerecht werden, wenn sie nur von so kurzer Dauer ist? Ich möchte Zeit haben, mich daran satt sehen und irgendwann, mit Würde verabschieden. Aber so läuft das nicht! Auch die violetten Hyazinthen, die den Weg zum Haus auf Nasenhöhe mit ihrem betörenden Duft begleiten, zeigen Bräune. 'Nein, bleibt doch noch!' ruf ich ihnen zu. Aber die Tulpen drängeln schon. Und dahinter die Kamassien.
Jetzt zu den Rosen im gemischten Beet. Mit der Stechgabel kann ich den Dünger leicht eingraben und die Erde zwischen den Stauden lockern. Auf den abgeblühten Primeln lässt es sich gut stehen, ohne die andern Pflanzen zu verletzen. Ich freu mich alte, fast vergessene Freunde zu entdecken, hier das 'Wunder von Stäfa', meine lilafarbige Lieblingsaster. Da die schlanken graugrünen Blätter der Iris, nur wo sind die gelben, wo die blauen? Die orangen und gelb gefüllten Tulpen machen sich gut mit den dunklen Heuchera. Dazwischen glatte Stecken, die mich warnen, dass ich dort im Herbst etwas gepflanzt hatte und vorsichtig sein muss. Schön gelockert, umhüllt die braune Erde die Pflanzen. Ein erhebendes Gefühl, wie ein frisch gemachtes Bett!
Die Beeren mach ich morgen, das Schattenbeet wenn die Sonne höher steht. Und auf mein Grab soll mein Mann dann schreiben 'Jetzt darf Heidrun immer draussen bleiben!'
Erschienen in Schöner Wohnen (Ausgabe Schweiz) Juni 2017