Alles wächst und wächst!

Kommt Ihnen das bekannt vor? Sie gehen in den Garten mit der festen Absicht, nur schnell ein paar Rhabarberstängel zu holen. Auf dem Weg dahin fällt Ihnen auf, dass die weichen Triebe der Clematis aufgebunden werden müssen. Also Schnur und Schere holen. Schere in der Hand, gehen Sie an verblühten Tulpen vorbei und schneiden schnell die Stengel ab. Das Gras zwischen den Platten lässt sich auch grad so leicht herauszuziehen. Für den Löwenzahn brauchts das spitze lange Gerät. Und für die Lilie einen Stecken. Stengel, Gras, Löwenzahn, Schnur und Schere, alles liegt bald herum, aber zum Rhabarber hab ich es nicht geschafft. Was umso besser ist, da es für die Wähe sowieso zu spät ist!

Jetzt wo alles explodiert ist durch den vielen Regen, gibt es aber auch so viel gleichzeitig zu tun. Oben auf der Liste: schneiden, schneiden. Zuerst der Flieder, der dieses Jahr wunderbar geblüht hat - die braunen Blütenstände zurück zu Austriebsnoden weiter unten, und gleichzeitig zwei, drei grosse Äste, um den Busch in Form zu halten. Die Astgabeln des Flieders sind besonders robuste Stützhilfen. Bei den blühenden Johannisbeeren und später den weissen Spierstauden geh ich drastischer um - den Busch von unten her anschauen und einen guten Teil der alten, dünkleren Äste an der Basis ausschneiden. So bleiben die Büsche jung, verholzen nicht und treiben besser aus.

Die mehrjährigen Stauden sind ebenfalls in die Höhe geschossen. Also höchste Zeit für den 'Chelsea Chop.' Die Chelsea Flower Show (das Mekka jedes Gartenliebhabers, immer noch auf meiner Wunschliste!) ist in England der Zeitpunkt, an dem die später-blühenden Sommerstauden, wie Quendel, Fette Henne, Phlox, Sonnenbraut, Gaura, sogar Dahlien, und meine Lieblingsaster 'Wunder von Stäfa' (Blütezeit von Juli bis zum Frost!) um mindestens einen Drittel eingekürzt werden. Dadurch entwickeln sich Seitentriebe, die Pflanze wird dichter und die Standfestigkeit erhöht. Da es die Blüte auch etwas verzögert, lasse ich oft den hinteren Teil stehen, der dann höher wird und zuerst blüht. Aber es braucht Mut, in den frischen Wuchs der Triebe hineinzuschneiden. Ich hab mir sagen lassen, dass auch die hohen Gräser, wie Miscanthus, stark heruntergeschnitten werden können, um ihre Standfestigheit zu erhöhen. Damit ich bei dieser Übung die Erde nicht zu stark verdichte, stehe ich auf den Blattrosen der Kissenprimel (verzeihen das Herumtrampeln grosszügig!). Weil ich von der Gaura und der Aster nie genug habe, setze ich die abgeschnittenen Teile (Spitze ausknipsen!) in Erde mit scharfem Sand gemischt. Der Sand sorgt für Durchlässigkeit, ausserdem verletzt er die äussere Haut der Stengel leicht und regt dadurch die Wurzelbildung an. So lassen sich später auch leicht Ableger von Nelken und Lavendel machen.

Polsterpflanzen wie Blaukissen bleiben kompakter und werden stärker, wenn sie um gut einen Drittel eingekürzt werden, dabei mit der Heckenschere zuerst das Verblühte zurückschneiden.

Giersch, Katzenschwänze, Baumtropf, Brennesseln und Winden haben jede Lücke gefüllt. Das Herausreissen macht ihnen nicht viel aus, denn das kleinste Stückchen Wurzel entwickelt sich zu immer neuen Unkräutern - eigentlich bewunderswert, diese Kraft! Ich machs trotzdem und werfe die ganzen Pflanzen anschliessend in einen Kübel mit Wasser und lass sie stehen, bis sie zur stinkenden Gülle geworden sind. Abgeseiht und verdünnt mit Wasser ist das ein ausgezeichneter organischer Dünger. Bei den Winden gibt es noch den Trick, einen Bambusstecken daneben zu tun, dann wächst die Winde daran hoch und lässt sich so einfach mit Unkrautvertilger besprühen. (Wenn nötig Umgebung mit Zeitunspapier abdecken). Auch bei anderen Unkräutern, die Blätter leicht zerquetschen, so dringt der Unkrautvertilger besser ein.

Nun zu unseren Mitbewohnern – den Schnecken. Statt den Rittersporn, das Basilikum oder die jungen, unschuldigen Salätchen zu dezimieren, könnten sie sich doch über die Winden hermachen! Dann wären wir alle glücklich – ausser den Winden, natürlich. Wegschauen ist eine Taktik; ab und zu erwischt es auch eine mit der Gartenschere, ich sag ihr aber stets 'Du bist auch nicht nett zu den Pflanzen!' Bei nassem Wetter streue ich äusserst spärlich Schneckenkörner. Dazu geb ich sie in ein Configlas, in dessen Deckel ich mit einem Nagel Löcher geschlagen habe, so lassen sich die Körner fein dosieren. Die Duftstoffe sind stark genug, dass scheinbar EIN Korn pro m2 langt! Wenn man bedenkt, dass Schnecken nachts über einen Kilometer zurücklegen, macht es mehr Sinn, die Körner nicht grad um den Basilikum zu streuen und sie so anzuziehen, sondern weiter weg. Da sie sich tagsüber verstecken, ist die andere Taktik, Bretter und grössere Tonstücke, etc. auszulegen. Die Schnecken können dort eingesammelt und den Hühnern verfüttert werden, die dann wieder ausgezeichneten Dünger liefern.

All das hört sich nach 'Arbeit' an - ist es auch - aber trotzdem gibt es nichts Schöneres, als draussen zwischen Pflanzen zu 'chlütteren.' Die Erde zu riechen, die Blätter zu fühlen, den zarten Duft der gelben Azaleen, der Iris einzuatmen. Abends dann, wenn die Dunkelheit langsam alles einhüllt, der Lärm verschwindet und andere Geräusche in den Vordergrund treten - das Rascheln der Blätter in den Bäumen, ein später Vogel - wer möchte da schon zurück ins Haus?